Hybride Mitgliederversammlungen zukünftig möglich

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RA P. Nessler informiert:
In § 32 Abs. 1 S. 1 BGB ist geregelt, dass die Beschlüsse der Mitglieder in Versammlungen gefasst werden. Es war bisher herrschende Meinung, dass eine solche Versammlung der Mitglieder deren physische Anwesenheit am Versammlungsort voraussetzt (z.B. OLG Hamm, Urt. v. 20.06.2001, Az. 8 U 77/01). Eine „virtuelle“ oder „hybride“ Mitgliederversammlung war nur zulässig, wenn die Satzung des Vereins dies ausdrücklich erlaubte und regelte.  Da dies vor der Coronapandemie selten in Satzungen geregelt war, Mitgliederversammlungen aber durchführbar sein mussten, hatte der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) eine gesetzliche Möglichkeit für die virtuelle oder hybride Mitgliederversammlung geschaffen. Das GesRuaCOVBekG gilt jedoch seit dem 01.09.2022 nicht mehr, so dass wieder eine ausdrückliche Satzungsregelung erforderlich wurde.
Der Bundestag hat nun am 9.2.2023 eine Änderung des § 32 BGB beschlossen und einen neuen Abs. 2 eingefügt. Danach kann in der Einladung zur Mitgliederversammlung vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Soll eine rein virtuelle Mitgliederversammlung durchgeführt werden, müssen die Mitglieder erst einen Beschluss fassen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können. Der Beschluss kann für einzelne oder alle künftigen Veranstaltungen gelten.
Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss nach der neuen Regelung in der Einladung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Die Einfügung dieser Regelungen in einen neuen Abs. 2 des § 32 BGB führt dazu, dass diese Regelungen nach § 40 S. 1 BGB durch die Satzung des jeweiligen Vereins abgeändert werden kann. Das bedeutet, dass die Neuregelung nur insoweit gilt, als dass die Satzung des jeweiligen Vereins nicht davon abweichende Regelungen enthält. Sofern z.B. ein Verein in seiner Satzung bereits festgelegt hat, dass eine virtuelle Mitgliederversammlung durch Beschluss des Vorstands einberufen werden kann, dann ist ein gesonderter Beschluss der Mitgliederversammlung im Sinne des neuen § 32 Abs. 2 BGB nicht mehr notwendig.
Diese Regelungen für die Mitgliederversammlung gelten wegen des Verweises in § 28 BGB auch für Sitzungen von mehrköpfigen Vereinsvorständen. Demnach können nun auch Vorstandssitzungen ohne ausdrückliche Satzungsregelung hybrid oder virtuell durchgeführt werden. Bei der virtuellen Sitzung des Vorstands wird der Beschluss der Mitgliederversammlung ersetzt durch den Beschluss des Vorstands. Auch hier gelten die Regelungen des neuen § 32 Abs. 2 BGB nur insoweit, als dass die Satzung des Vereins keine abweichenden Regelungen enthält.
Da nach allgemeiner Meinung auch auf die Beschlussfassung sonstiger in der Satzung vorgesehener Vereinsorgane (z.B. Gesamtvorstand, Sportausschuss, Beirat, Spruchkammer etc.) die gesetzlichen Vorschriften über die Beschlussfassung der Mitgliederversammlung entsprechende Anwendung finden, gelten die obigen Ausführungen auch für diese Vereinsorgane.
ABER ACHTUNG !!!
Auch wenn dies die Medien derzeit unglücklicherweise anders darstellen, hat über diese Gesetzesänderung der Bundesrat noch nicht abgestimmt und das Gesetz ist auch noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Damit ist es noch nicht in Kraft getreten und kann deshalb auch bis dahin nicht angewandt werden.
Stand: 14.02.2023

Mit freundlicher Genehmigung:
RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei
Patrick R. Nessler
Kastanienweg 15
66386 St. Ingbert

Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw06-de-digitale-mitgliederversammlung-931492 (scr/09.08.2023)